Ein Brief mit Folgen...

2022-01-03

Anlässlich des Todestages des ECMI Gründervaters und ehemaligen Grenzlandbeauftragten Kurt Hamer, möchten wir  Ihnen heute einen besonderen Brief  zeigen. Die folgenden Zeilen hat Kurt Hamer an den Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein verfasst. Obwohl  der Brief  wegen des Todes von Kurt Hamer (03.01.1991) nicht mehr rechtzeitig abgeschickt werden konnte, haben seine Gedanken die Geschichte des europäischen Zentrums für Minderheiten maßgeblich beeinflusst:

 

An den Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein Herrn Björn Engholm, MdL

Landeshaus

Düsternbrooker Weg

D-2300 Kiel 1

 

Hr. Amtsborgmester

Kresten Philipsen

Sønderjyllands Amtskommune

Amtsgården

Skelbækvej 2

DK-6200 Aabenraa

 

Errichtung eines "Europäischen Zentrums für Minderheitenfragen"

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

sehr geehrter Herr Amtsbürgermeister,

mit der als Anlage beigefügten "Denkschrift" unterbreite ich Ihnen den Vorschlag, in der deutsch-dänischen Grenzregion ein "Europäisches Zentrum für Minderheitenfragen" (EZM) zu errichten.

Es soll sich dabei um eine international anerkannte wissenschaftliche Einrichtung in der Trägerschaft des Landes Schleswig-Holstein und des Amtes Sønderjylland handeln, die als grenzüberschreitendes Projekt von der Europäischen Gemeinschaft finanziert wird.

Alternativ ist zu prüfen, ob in Verbindung mit dem Europarat eine Trägerschaft unter dem Dach der KSZE in Frage kommt, die sich ebenfalls, zuletzt auf der Konferenz in Kopenhagen über die menschliche Dimension der KSZE, intensiv mit Minderheitenfragen beschäftigt.

Ich bin der Überzeugung, daß die Lösung der Minderheitenfragen in Europa eine der wichtigsten Aufgaben zur Befriedung unseres Kontinents ist. Für die nötigen politischen Entscheidungen reichen die Kenntnisse über die Situation der Minderheiten und die Ursachen ihrer Probleme jedoch nicht aus.

Die Wissenschaft kann dazu beitragen, diese Lücke zu füllen. Es gibt aber in Europa keine zentrale wissenschaftliche Institution, die sich der Erforschung, Darstellung und Vermittlung von Minderheitenproblemen unter gesamteuropäischen Aspekten widmet.

Im Mittelpunkt der Aufgaben des von mir vorgeschlagenen "Europäischen Zentrums für Minderheitenfragen" (EZM) stünde eine innereuropäische Konfliktforschung, deren Ziel es wäre, Ursachen für Minderheitenprobleme zu erforschen und wissenschaftliche Grundlagen für ihre Überwindung zu liefern.

Damit wissenschaftliche Veranstaltungen wie Kolloquien und Symposien, aber auch Seminare zu Minderheitenfragen durchgeführt werden können, sollte dem EZM eine Akademie angeschlossen werden.

Als Standort für die Institution bietet sich die Grenzregion Schleswig-Sønderjylland an, weil hier beispielhafte Regelungen zur Lösung von Minderheitenproblemen praktiziert werden. Hier ist ein hervorragendes Klima für eine unvoreingenommene und unabhängige internationale wissenschaftliche Arbeit vorhanden.

Zur Realisierung des Vorhabens halte ich, bevor endgültige Beschlüsse gefaßt werden, eine gutachterliche Stellungnahme eines Expertengremiums und die Bildung einer aus Vertretern des Amtes Sønderjylland und des Landes Schleswig-Holstein bestehenden "Arbeitsgruppe EZM" für unumgänglich. Gleichzeitig muß das Projekt in Kopenhagen, Bonn und Brüssel bzw. bei der KSZE in Verbindung mit dem Europarat politisch und finanziell abgesichert werden.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Amtsbürgermeister, ich bin sicher, daß eine erste politische Bewertung meines Vorschlags zu dem Ergebnis führen wird, daß ein "Europäisches Zentrum für Minderheitenfragen" mit seinem zu erwartenden internationalen wissenschaftlichen Renommee ein großer Gewinn für unseren Grenzraum sein und ihm nur Vorteile bringen wird. Ich bitte Sie deshalb um eine gründliche und wohlwollende Prüfung der in der "Denkschrift" dargelegten Überlegungen.

Mit freundlichen Grüßen

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